Können Fussböden in Gebäuden in Zukunft vor Erkrankungen schützen?
1. April 2020
Die Corona-Pandemie zieht ihre Kreise, und weltweit wird in Laboren nach einem Impfstoff geforscht. Darüber hinaus werden mit Hochdruck Schutzkleidung und -masken für Ärzte und Pflegepersonal sowie für die Bevölkerung produziert. Auch Desinfektionsmittel müssen viel mehr als sonst bereitgestellt werden. Hier stellt sich die Frage, wie vorbereitet ist unsere moderne Gesellschaft auf derartige Katastrophenfälle.
Auch das Schweizer Unternehmen CONICA AG, seit 40 Jahren Spezialist für die Entwicklung von Laufbahnen in Stadien sowie Hochleistungsböden für Gebäude wie Schulen und Krankenhäuser, hat sich Gedanken zur aktuellen Situation gemacht.
Ein Interview mit Wolfgang Motzer, Product Manager Industrial / Decorative / Parking bei CONICA.
Frage:
Wie gehen Sie in Ihrem Unternehmen mit der Situation um?
Wolfgang Motzer:
Wir haben Teile unserer Verwaltung ins Homeoffice verlagert und in der Produktion arbeiten wir mit einem reduzierten Team. Unsere Logistik funktioniert weiterhin, Einschränkungen in den Lieferketten sind allerdings möglich bei längerem Pandemieverlauf. Unsere Produkte werden global eingebaut, zum Beispiel in grossen Stadien, die aktuell nicht genutzt werden wegen Corona. Das bietet sogar einen gewissen Vorteil beim Einbau, da wir uns nicht wie bisher in den dicht geplanten Terminkalender der Sportstätten eintakten müssen.
Frage:
Was können Sie sonst tun?
Wolfgang Motzer:
Wir haben ernsthaft überlegt, Desinfektionsmittel zu produzieren. Da wir ein Betrieb sind, der viel mit Chemikalien – unsere Böden werden auf Basis von Polyurethanen und Epoxidharzen hergestellt – arbeitet, wäre das für uns technisch kein Problem.
Frage:
Werden Sie also produzieren?
Wolfgang Motzer:
Wir haben uns nach Abwägen aller Argumente dagegen entschieden. Letztlich geht es um Haftungsfragen. Sollte zum Beispiel ein Nutzer Hautausschlag nach der Anwendung unseres Desinfektionsmittels bekommen, könnte er auf die Idee kommen, uns zu verklagen. Dieses Risiko ist uns zu gross. Das ginge nur, wenn der Staat uns in der Notsituation mit der Produktion beauftragt, und wir irgendwie von den Haftungsbedingungen freigestellt werden.
Frage:
Sehen Sie weitere Ansätze?
Wolfgang Motzer:
Wir haben für die Versiegelung Conifloor 541 CW unserer elastischen Bodenbelagsreihe CONIFLOOR LPC eine Prüfung für den Nachweis der langfristigen Hemmung des Bakterienwachstums für zwei Referenzbakterienstämme durchführen lassen. Das war eine Anforderung in unserem Projekt im Olympiapark in München.
Frage:
Corona ist aber viral, nicht bakteriell.
Wolfgang Motzer:
Genau. Wir können zunächst weiter daran arbeiten, unsere Böden – wo immer sinnvoll und machbar – „bakteriostatisch“ (das Wachstum von Bakterien hemmend) oder „antibakteriell“ (die Vermehrung von Bakterien hemmen oder sie abtötend) zu machen. Das müsste mit der europäischen Biozid-Verordnung in Einklang gebracht werden und wäre ein grosser Schritt. Unsere Mitbewerber hätten im Übrigen dieselben Herausforderungen wie wir.
Die Pneumokokken-basierte Lungenentzündung, die auch im Kontext Corona eine Rolle spielt, ist bakteriell. Ein Überspringen von der viralen auf die bakterielle Lungenentzündung muss unbedingt vermieden werden, sonst droht dem Patienten Lebensgefahr. Also ist es wichtig, die Menschen auch bakteriell besser zu schützen.
Legionellen sind ebenfalls Bakterien. Sie spielen zum Beispiel beim Sick-Building-Syndrom in grossen mit Klimaanlagen ausgestatteten Gebäuden von Unternehmen, der Verwaltung oder auch in Krankenhäusern eine Rolle. Durch entsprechend weiterentwickelte Böden könnten wir dazu beitragen, das gesundheitliche Risiko für die Belegschaft zu minimieren.
Antiviral sind unsere Böden noch nicht. Das wäre eine ganz neue Qualität, die wir aber angesichts von Corona in Zukunft stärker erforschen wollen.
Frage:
Das heisst, Corona wirkt sich schon jetzt auf Ihr unternehmerisches Handeln aus?
Wolfgang Motzer:
Auf jeden Fall. Wir und die ganze Wirtschaft werden durch Corona in nie dagewesener Form heraus- und dadurch aufgefordert, die richtigen Schlüsse für die Zeit danach zu ziehen. Bei uns hat dieser Prozess schon begonnen.